Wird eine Firma von einem anderen meist größeren Unternehmen übernommen, wird oft der Ruf laut die ERP Systeme neu verbundenen Unternehmen zu konsolidieren. Normalerweise soll der kleinere Partner das System des größeren übernehmen. Mutterkonzerne wollen mit der Konsolidierung von ERP-Systemen durchgängige Prozesse etablieren und verlässliche Kennzahlen beizeiten in ihren zentralen Systemen haben. Nicht immer ist es aber die beste Idee einer Unternehmenstochter ein konzernweites einheitliches System überzustülpen.
Konzernweite Konsolidierung von ERP-Systemen – ein Lieblingsziel der Chefs
Soll ein neues Tochterunternehmen ein konzernweites ERP-System den übernehmen, wird für Neuzugang als autonome Umgebung ein neuer Mandant geschaffen. Die ERP-Prozesse innerhalb dieser Umgebung orientieren sich aber meistens an dem des zentralen Systems.
Selbstredend hat ein solcher Ansatz große Vorteile. Man spart Aufwand an vielen Stellen zu Koordination des ERP-Systems und oft teure und aufwendige Schnittstellen sind überflüssig. Die Kompetenz der IT oder ERP-Abteilung muss nur ein System bedienen. Jede Expansion ist damit natürlich auch mit weniger Aufwand verbunden. Wartung, Updates und Rollouts könne mit homogenen Organisationen gestemmt werden. Konsolidierung von ERP-Systemen spart damit natürlich auch Kosten.
Wenige erprobte Anbieter
Wenn man den ERP-Markt analysiert, welche Systeme überhaupt für eine einheitliche Integration von Konzerntöchtern geeignet sind, wird man schnell zu einer Einsicht gelangen: Viele sind es nicht. Was zunächst als Malus erscheint, hat auch seine Vorteile. Die entsprechende Software von SAP, Oracle, JD Edwards usw. ist meist ausgereift und entsprechend internationalisiert. Die dahinter stehenden Hersteller sind die Platzhirsche am Markt und können damit als investitionssicher gelten.
Konzernweite Konsolidierung von ERP-Systemen – die Leidtragenden
Für die Leistung eines Konzerns gibt es also einige gute Gründe mit einem konsolidierten ERP-System fahren zu wollen. Für die einzelne Konzerntochter manifestieren sich eventuell auch einige Nachteile durch einen solchen Ansatz.
Soll ein Unternehmen von einem Konzern übernommen werden, besteht eine gewisse Attraktivität des Übernahmekandidaten ja darin, dass dieser etwas kann, was der Konzern eben nicht im Portfolio hat. Sprich, das „Anderssein“ ist genau das, was man haben will. Zu diesem gehört neben anderen Produkten, Kompetenzen, Prozessen und Wissen eben eine erprobte und gewachsenen Infrastruktur. Ein oft hochspezialisiertes ERP-System ist dabei keine Seltenheit. Manchmal steckt das Knowhow vieler Jahre und Mitarbeitern in solcher ERP-Software, die nicht selten an genau solchen Kunden entlang entwickelt wurde.
Oft steckt dahinter noch eine eingespielte Mannschaft oder/und Dienstleister die schnell und effizient die integrierten Systeme anpassen können, sollte es mal nötig sein.
Ein konzernweites einheitliches System ist dagegen selten flexibel genug um hier Schritt halten zu können. Gleichzeitig würde ja der Grund für ein konsolidiertes System ad absurdum geführt werden, würde es man so anpassen, dass es allen speziellen Anforderungen einer Unternehmenstochter genügt.
Nachlassende Performance und Frustration auf allen Seiten ist nicht selten das Ergebnis der Vereinheitlichung.
Teilweise Konsolidierung von ERP-Systemen – zweischneidig
Als Alternative zur alles gleichmachenden Konsolidierung von ERP-Systemen, kann man natürlich zur Integration der ERP-Software der Unternehmenstochter über Schnittstellen greifen. Das operative Geschäft wird mit dem spezialisierten System abgebildet, dass dann nur noch die Finanzbuchhaltung des Mutter-Systems mit den daraus resultierenden Buchungen füttert.
Klar ist hier der Vorteil der Unternehmenstochter im Fokus. Spezial und Branchenlösungen können weiter ihre ganzen Vorteile ausspielen. Änderungen am Markt oder Organisation könne schnell und flexibel auch im ERP-System umgesetzt werden. Die Mitarbeiter und die Leitung der Konzerntochter sind in Ihrem spezialisierten System zu Hause und damit produktiver.
Durch ein solches Vorgehen nimmt man natürlich einige Nachteile in Kauf. Dazu gehört natürlich eine Inselbildung sowohl bzgl. Technik als auch Wissens, das zentrale Organisationen normalerweise meiden wie der Teufel das Weihwasser. Und so oder so steigt der Aufwand bei der Betreuung einer solchen Struktur.
Der Königsweg – es gibt ihn nicht
Wie also mit den oft wieder streitenden Zielen eine Konsolidierung von ERP-Systemen und der Nutzung von spezialisierter ERP-Software durch Unternehmenstöchter umgehen? Wie sooft im Leben: Es kommt darauf an.
Es ergibt eventuell durchaus Sinn, auf einige Vorteile einiger Vereinheitlichung zu verzichten. Wirtschaftliche und strategisch Ziele können dafür sprechen. Hierbei wird auch klar, eine Entscheidung über die richtige ERP-Strategie ist keine IT-Entscheidung oder zumindest nicht nur.
Möglich sind auch langfristige Strategien die in einem längeren geregelten Prozess, die ERP-Lösung der Unternehmenstochter durch ein zentrales System abzulösen. Dabei kann durch eine Umsteuerung von Prozessen sich langsam angepasst werden.
Was allerdings auch gefragt ist, ist Konsequenz. So wird zwar öfters das Hohelied der einheitlichen ERP-Landschaft gesungen, aber nicht unbedingt gelebt. Ab vom propagierten Template, von dem auf gar keinem Fall abgewichen werden soll, entstehen Sonderwege und Schatten-IT-Systeme die dann noch schwerer zu kontrollieren sind, als individuelle ERP-Systeme.