Im letzten Teil unserer Serie zur Auswahl einer ERP-Software für ein Unternehmen haben wir uns mit der Präsentation geeigneter System durch Anbieter beschäftigt. Dem Präsentator sitzen Mitarbeiter des Kunden gegenüber. Und jeder hat etwas zum Thema zu sagen. Beratend, beeinflussend oder/und entscheidend. Beide muss man im Blick haben: die Beeinflusser und die Entscheider.
Die Beeinflusser
In einem solchen Prozess ist JEDER der am Tisch sitzt, zumindest ein Beeinflusser. Und jeder dieser Personen haben seine ganz eigenen Beweggründe, Voraussetzungen und Ziele: Eine kleine Typisierung:
- Der Ängstliche
Neue Software oder/und gar neue Prozesse verheißen Gefahr oder gar Kontrollverlust. Zumindest das, was den eigenen Bereich betrifft, soll unangetastet bleiben. Im Endeffekt darf sich nichts ändern. - Der Bequeme
Es darf sich zwar alles ändern, was keinen zusätzlichen Lernaufwand bedeutet. Aber irgendwelche Belastungen zu irgendeiner Phase kommen nicht infrage. Im Endeffekt darf sich nichts ändern. - Der Progressive
Es ist alles Mist, wie es ist. Wenn man schon dabei ist, soll auch wirklich alles erneuert und werden. Die vielen tollen Funktionen zahlt man ja schließlich auch! Also sollen sie auch zum Einsatz kommen! Im Endeffekt soll sich alles ändern. - Der Verantwortliche
Der zukünftiger die zukünftigen Projektleiter(in). Er/Sie ahnt Ungemach, wenn nicht alle Risiken bis ins letzte durchgeprüft werden. Es darf sich nur das ändern, was 100% sicher im Ergebnis ist. - Der Glaubenskrieger
Er hat Grundsätze – nein Glaubenssätze. Bestimmte Prozesse gehen nur so und nicht anders. Bestimmte Technologien sind außerhalb der Diskussion oder gar böse, andere immer gut. Ganze Anbieter werden rigoros ausgeschlossen (die SAP ist hier beliebtes Ziel). Was sich wie ändern darf, steht eigentlich von Anfang an fest. - Der Stratege
Er hat seine persönlichen Interessen feste im Blick. Diese Umstellung verleiht ihm mehr Anteil im Prozess und damit mehr Macht. Die andere Funktion schwächt per Automatisierung seinen Einfluss. Es darf sich ändern, was ihm nützt. - Der Kumpel
Er hat sich schon früh auf einen Anbieter festgelegt. Toller Typ der Berater! Ab jetzt wird alles durchgewunken. Wenn der das ändert, muss es gut sein! - Der Besserwisser
Er hat es (nachher) schon immer gewusst. Aber ihn fragt ja keiner. - Der Unvorsichtige
Er geht davon aus, dass das so funktioniert, wie er sich das vorstellt. Wenn es dann das genau nicht tut, ist er entrüstet: Davon muss man doch ausgehen! - Der Eilige
Er hat den Terminplan als maßgebliche Größe vor Augen. Er treibt zu Eile und hetzt an so manchen wichtigen Punkt vorbei. - Der Überlastete
Die ERP-Einführung verspricht vor allem seinen Bereich zu entlasten, denn hier ist der Engpass, der endlich behoben werden soll. Er muss am meisten Input liefen…dabei ist er ohnehin überlastet. - Der Motivierte
Soll gar nicht so selten vorkommen. Jetzt wird alles besser! Er/Sie bereit alles zu geben, Überstunden inbegriffen!
TIPP
Alle genannten Beeinflusser haben nicht nur ihre angestammte Rolle, sondern auch ihre Berechtigung.
Richtig eingesetzt und interpretiert, liefern sie wichtigen Input.
NUR: Man sollte seine Pappenheimer kennen!
Der maßgebliche Entscheider
Der/die maßgebliche(n) Entscheider kommt/kommen erst zur Präsentation an den Tisch des Auswahlprojektes: Die Chefetage. Diese hat oft Ihre ganz eigene Agenda (siehe: Der Grund). Immer im Hinterkopf, dass Widerstand in der Belegschaft so ein Projekt kippen kann, hat man sich bisher zurückgehalten. Oder man hat schlicht was anderes zu tun gehabt – und jetzt das!
Der Chef muss feststellen, dass ausgerechnet, das Kapitel, worauf es ihm angekommen ist, fast nicht oder gar nicht behandelt wurde. Tja, woher sollte der Anbieter das auch wissen, war den vielen Anforderungen keine Hierarchie zu entnehmen.
Im Zweifel muss das also nachgeholt und (natürlich!) muss der Terminplan angepasst werden.
Es soll auch die Entscheidungen geben, die bereits gefallen sind, die nichts mit dem ganzen Prozedere vorher zu tun haben. Die berühmt-berüchtigte Golfplatzentscheidung, die ein Mächtiger (Chef oder leitender Mitarbeiter) jetzt „nur“ noch intern verkaufen muss.
Natürlich riechen die Mitarbeiter früher oder später den Braten, halten sich aber genauso natürlich zurück, um zum späteren (zu späten) Zeitpunkt in der Kantine sagen zu können, dass das natürlich klar war, dass das nicht funktioniert.
TIPP
Die Einführung einer ERP Software ist immer ein Projekt der Geschäftsführung!
Es gibt weder ein Grund für Zurückhaltung noch für risikoreiches Läsefär.
Bleiben Sie vom Anfang an am Ball!