Jedes Jahr dürfen sich die entsprechend platzierten ERP-Anbieter über die im Grunde geschenkte Werbung freuen. Selbst die Medien stürzen sich auf die von Beratungs– und Analystenhäusern durchgeführten ERP Zufriedenheitsanalysen.
Zahlreiche, vielseitige Berichte in Fachmagazinen mit Kommentaren der Anbieter der ausgezeichneten ERP sind das Ergebnis. Natürlich haben sich die gekrönten ERP-Anbieter in Themen wie Mobility, Cloudfähigkeit, Business Intelligence oder Big Data auch erst qualifizieren müssen. Dennoch werden die ERP Zufriedenheitsanalysen doch eigentlich für Kunden durchgeführt? Doch wie groß ist der Nutzen für die Auswahl einer eigenen ERP-Lösung?
Sind ERP-Systeme wirklich vergleichbar?
Erst einmal stellt sich die Frage: Welche ERP-Systeme in einer Vielzahl kann man überhaupt sinnvoll vergleichen ? Kann man das überhaupt? Sind beispielsweise einige Systeme am Markt weit verbreitet, andere kaum, ist das als Grundlage für eine gute Auswertung der Systemlandschaft schon schwierig. Um einen verlässlichen Vergleich durchzuführen, muss eine ausreichende Anzahl an „gleichgestellten“ Systemen vorhanden sein.
Unterschieden wird wiederum zwischen globalen und nicht globalen ERP-Anbietern. Allerdings ist auch die Auszeichnung „global“ als Vergleichsgrundlage mit Vorsicht zu genießen. Denn „global“ kann heißen das es tatsächlich global vom Anbieter vertrieben wird, das ERP-System allein diese Verbreitung hat oder durch sog. Local Packages global verfügbar ist.
Wer wird gefragt bei ERP Zufriedenheitsanalysen?
Interessant sind neben den ERP-Anbietern als Vergleichsgrundlage, die beurteilenden Unternehmen bei den ERP Zufriedenheitsanalysen. Wie werden die diese Unternehmen ausgesucht, kontaktiert und befragt? Vom direkten Betreiber der Zufriedenheitsanalyse oder über den ERP-Anbieter? Auch ist unklar, welche Personen beurteilen, also welche Position oder Funktion sie im Unternehmen ausüben. Oder befragt man Unternehmen über die Jahre gar doppelt? Differenzierte man bei der Befragung zwischen Fachanwendern und Betreibern? Kann der Beurteilende wirklich jeden Bereich des ERP-Systems fach kenntlich beurteilen? All diese Fragen werden nicht ausreichend dokumentiert, haben aber Einfluss auf das Ergebnis der Zufriedenheitsanalyse.
Mitarbeiter oder User?
Was in die Auswertung einbezogen wird, ist die Größe der befragten Unternehmen. Dabei bezieht sich die Größe eines Unternehmens auf die Zahl der Mitarbeiter. Nicht aber auf die der ERP-System-Anwender. So hat ein Fertigungsunternehmen mit 100 Mitarbeitern sehr viel weniger Anwender als ein Dienstleister. Ebenfalls wird nicht ersichtlich, wie sich die Unternehmensgrößen auf die zu beurteilenden ERP-Systeme verteilen.
Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen
Ob die Ergebnisse aus den Befragungen dieser Unternehmen ausreichen, um ein ERP-System ausreichend zu beurteilen?
Kommt also eine ERP-Zufriedenheitsanalyse für die Auswahl eines eigenen ERP-Systems überhaupt infrage?
Bei diesen Analysen werden kleine branchenspezifische ERP-Lösungen, mit einer Handvoll Nutzern, den großen Standard-Systemen gegenübergestellt. Die Zufriedenheit des Handelskonzerns vergleicht man mit der des Dienstleistungsspezialisten. Auch scheint es so, dass ERP-Anbieter mit drei Bewertungen, anderen mit 80 Antworten gleichgestellt werden. Außerdem interpretiert der unbefangene Leser Begriffe, die die „ERP Welt“ noch nicht eindeutig definiert, oft sehr „eigenständig. Je nach Anwendersicht ist die „Cloudfähigkeit“ eines ERP-Systems ganz unterschiedlich. Alles in allem: keine sehr brauchbare Grundlage zur Auswahl eines ERP-Systems. Sie können hilfreich sein, um sich über das allgemeine Angebot am Markt zu orientieren, ist aber kein Ersatz für eigenständige Suche und Vergleiche eines geeigneten ERP-Systems.