Die Auswahl einer neuen ERP-Anwendung ist für Unternehmen ein Projekt, bevor das eigentliche ERP-Projekt angefangen hat. In dieser Serie beleuchten wir die verschiedenen Aspekte der ERP-Auswahl. Während im ersten Teil Grundlagen und im zweiten die Motivation behandelt wurden, ging es im dritten Kapitel um die Verantwortung im Auswahlprojekt. Das Lastenheft war das Thema im vierten Teil, bevor wir jetzt zur Kommunikation mit dem ERP-Anbieter kommen.
Erstkontakt zum ERP-Anbieter
Lastenhefte, der hier beschrieben Art werden, dann an diverse Anbieter verteilt. Wie man an genau diese geraten ist, kann zum guten Schluss oft keiner mehr sagen. Zufall, Google, Bekannte, Verwandte, Ausschreibungsportale – der Quellen gibt es viele.
TIPP
Veranstalten Sie „Kennenlerntermine“ mit potenziellen Kandidaten, bevor Sie das Lastenheft verteilen. Das kann den Prozess erheblich abkürzen.
Den Anforderungskatalog bekommt der Vertrieb eines ERP Anbieters oder Beratungshauses dann auf den Tisch. Mit mehr oder weniger Begeisterung geht ein Vertriebsmitarbeiter daran all die vielen Fragen abzuarbeiten – soweit er kann. Dann zieht er seine Beratungskollegen mit heran, die eindeutig weniger Begeisterung aufbringen, neben Ihrem Tagesgeschäft noch Lastenhefte zu bearbeiten. Allerdings der Abgabetermin ist ambitioniert – denn man hat ja schon bei der Eigenanalyse schon länger gebraucht als gedacht.
TIPP
Machen Sie transparent, was Ihnen wichtig ist. Dann weiß der Anbieter worauf es Ihnen ankommt.
Fragen über Fragen an den ERP-Anbieter
Wenn der Kunde nett war, teilt er dem Anbieter noch mit wie er welche Anforderung gewichtet. Was er dann zurückbekommt, ist ein mühevoll bearbeiteter Fragenkatalog, wo möglichst keine Anforderung als unerfüllbar eingeordnet wurde. Dabei hilft, dass der Anbieter seine Angaben noch kommentieren darf, was der dann dazu nutzt die zuvor getroffene Aussage nachdrücklich zu relativieren. Nach dem Motto: Alles ist möglich, wenn alle Voraussetzungen passen!
TIPP
Bleiben Sie fair! Verlangen Sie nichts Unmögliches. Dann bekommen Sie auch ehrliche Antworten.
Wenn der Kunde noch netter ist erlaubt er Rückfragen. Da kommen dann schon ein paar Telefonkonferenzen zusammen, die mehr und länger als gedacht zu einer zweiten Anpassung des Zeitplans führen.
Maximale Anforderungen
Soweit so regulär. Allerdings gibt es auch die Kandidaten, die nach dem Motto: Maximale Anforderungen gibt ein maximales Ergebnis, schier unmögliches in Ihr Lastenheft aufnehmen. Wenn der Anbieter zustimmt, muss er dann auch liefern. Vorab: Eine bessere Vorlage für Schaumschläger kann man nicht liefern.
Natürlich werden auch die Lizenzkosten und die Implementierungskosten der ERP-Lösung abgefragt. Und ja, ein erfahrener Anbieter kann zu diesem Zeitpunkt schon Hausnummern ausgeben. Dies allerdings mehr auf Basis Erfahrungswerten aus anderen ähnlichen Projekten, als auf Basis des Lastenheftes. ERP-Anbieter haben sich oft eine hoch komplizierte Lizensierungsmechanik ausgedacht, egal ob On-Premise oder Cloud. Ohne die „wirklichen Prozesse“ und die darin „verwickelten“ User genau analysiert zu haben, ist hier fröhliches Raten angesagt.
TIPP
Preise und Kosten bleiben in Bezug auf einem Lastenheft Schätzungen – nicht mehr und nicht weniger.
Dies ist nicht der Zeitpunkt für Preisverhandlungen.
Überfordert schon die Schätzung Ihr Budget, können Sie gleich aussteigen. Günstiger wird es höchst selten.
Grundsätzlich gilt aber für generell für den Anbieter der so ein Projekt nicht nur angeboten, sondern auch durchgeführt hat: Nachher ist eh alles (zumindest in Teilen) anders. Und es gibt ja noch ein Pflichtenheft, dass dann der eigenen Wahrheit schon näherkommt. Ja man muss es leider immer noch betonen: Das sind zwei ganz unterschiedliche Dokumente: Lasten- und Pflichtenheft. Aber das ist ein anderes Kapitel.