Die Modernisierung monolithischer ERP-Systeme durch Künstliche Intelligenz (KI) beginnt nicht mit Algorithmen, sondern mit einem klaren Verständnis. Unternehmen müssen zunächst analysieren, wie ihr bestehendes ERP-System strukturiert ist, wo operative Engpässe entstehen und welches konkrete Potenzial KI bietet, um Prozesse zu automatisieren, Entscheidungen zu verbessern und Systeme resilienter zu machen. Ohne diese strategische Vorarbeit drohen Fehlentscheidungen, widersprüchliche Anforderungen und technisch getriebene Fehlinvestitionen. Deshalb bildet Phase 1 – die strategische Analyse – das Fundament jeder erfolgreichen ERP-Transformation mit KI. Sie legt fest, ob die Modernisierung zielgerichtet verläuft oder sich in teuren und langwierigen Iterationen verliert.
Die Ausgangslage: Warum eine strategische Analyse unverzichtbar ist
Viele mittelständische Unternehmen arbeiten seit zehn oder fünfzehn Jahren mit denselben ERP-Strukturen. Im Laufe der Zeit kamen Custom-Codes, Zusatzmodule, Workarounds und Abhängigkeiten hinzu. Dadurch entsteht ein technischer Flickenteppich, der zwar funktionsfähig ist, aber jede Erweiterung erschwert. Daher sollten Unternehmen zu Beginn prüfen:
- Welche Module sind geschäftskritisch?
- Wo entstehen Prozessbrüche, Redundanzen oder manuelle Tätigkeiten?
- Welche Bereiche profitieren am stärksten von KI-Unterstützung?
- Welche Abhängigkeiten und Risiken bestehen im Code und in Schnittstellen?
Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit dieser Analyse: Ein Industriebetrieb plante eine KI-basierte Bedarfsprognose. Bei genauer Systeminspektion zeigte sich jedoch, dass die relevanten Bewegungsdaten veraltet, unvollständig und fehlerhaft waren. Statt die Prognose zu verbessern, hätte die KI lediglich schlechte Daten schneller verarbeitet. Daher musste zunächst eine grundlegende Bereinigung erfolgen. Dieses Beispiel zeigt, warum die Ursachen vor den Lösungen verstanden werden müssen.
Von der Bestandsaufnahme zur Zielarchitektur: Klarheit durch strukturierte Fragen
Ein strukturiertes Vorgehen verhindert operative Blindheit. Daher sollten Unternehmen die Analyse systematisch in drei Schritte gliedern:
- Prozessinventur: Fachabteilungen beschreiben Abläufe, Engpässe und Datennutzung.
- Systeminventur: IT bewertet Module, Custom-Codes, Schnittstellen und technische Schulden.
- Wirtschaftliche Bewertung: Geschäftsführung und Controlling prüfen Potenziale und Risiken.
Durch diese Kombination entsteht ein gemeinsames Bild. Gleichzeitig reduziert sie Konflikte, da alle Beteiligten dieselbe Ausgangsbasis nutzen. Dieser gemeinsame Blick ist für die KI-Strategie essenziell, da KI-Projekte nur dann Nutzen stiften, wenn sie die wichtigsten Werttreiber adressieren.
KI-Governance: Der oft unterschätzte Schlüssel zum Erfolg
Die Einführung von KI in ERP-Prozessen bringt Chancen, aber auch Verantwortung. Daher benötigen Unternehmen eine Governance-Struktur, die sowohl Risiken steuert als auch Transparenz schafft. Eine gute Governance klärt:
- Wer verantwortet KI-Entscheidungen?
- Welche Daten dürfen verwendet werden?
- Wie werden Modelle überwacht und überprüft?
- Welche regulatorischen Vorgaben gelten?
Besonders wichtig ist der Human-in-the-Loop-Ansatz. Bei kritischen Entscheidungen, etwa Bonitätsprüfungen, Produktionsplanung oder Preisgestaltung, sollte KI niemals autonom handeln. Ein Mensch validiert Ergebnisse, beurteilt Ausnahmen und trifft finale Entscheidungen. Dieser Mechanismus schützt Unternehmen vor Fehlsteuerungen und stärkt Vertrauen in KI-gestützte Prozesse.
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt den Nutzen: Ein Handelsunternehmen setzte KI zur Dispositionsoptimierung ein. Durch menschliche Freigabeprozesse wurden kritische Abweichungen schnell erkannt. Dadurch ließ sich das System stabil einführen, ohne das Risiko fehlerhafter Bestellvorschläge zu erhöhen. Governance war somit kein Hindernis, sondern ein Enabler.
Die Rolle der Führung: Transformation braucht eine klare Vision
Technische Modernisierung funktioniert nur, wenn die Führungsebene eine klare Richtung vorgibt. Dazu gehört:
- Die Vision einer modularen, KI-gestützten Systemlandschaft
- Ein Commitment zu Datenqualität und Prozessstandardisierung
- Mut, Prioritäten konsequent umzusetzen
- Frühzeitige Kommunikation gegenüber Mitarbeitern
Viele Transformationsprojekte scheitern nicht an Technologie, sondern an Unsicherheit. Wenn Mitarbeiter nicht wissen, warum sich etwas ändert, blockieren sie neue Arbeitsweisen. Daher sollte die Geschäftsführung frühzeitig erklären, wie die Modernisierung das Unternehmen stärkt, welche Vorteile entstehen und wie die Mitarbeitenden eingebunden werden.
Ein anschauliches Beispiel: Ein Maschinenbauer kommunizierte die ERP-Strategie zunächst nur innerhalb der IT. Die Fachbereiche fühlten sich übergangen und lehnten neue Prozesse ab. Erst nach einer intensiven Kommunikationsrunde verbesserten sich Akzeptanz und Zusammenarbeit. Dieses Beispiel zeigt, warum Vision und Beteiligung unverzichtbar sind.
Warum Phase 1 der entscheidende Hebel ist
Die erste Phase definiert, wohin ein Unternehmen will und warum es diesen Weg gehen sollte. Außerdem legt sie fest, wie KI verantwortungsvoll eingesetzt wird und welche Bereiche zuerst profitieren sollen. Durch eine klare Governance wird verhindert, dass KI isolierte Insellösungen erzeugt. Gleichzeitig schaffen Analyse und Vision eine solide Grundlage für alle weiteren Phasen.
Wer Phase 1 sauber umsetzt, spart später Zeit, Kosten und Komplexität. Unternehmen, die darauf verzichten, bauen Lösungen ohne Fundament. Dadurch entstehen neue Silos, unkontrollierte Risiken und teure Nachbesserungen. Daher bildet diese Phase die wichtigste Voraussetzung für eine moderne, skalierbare und KI-gestützte ERP-Landschaft.
Künstlicher Intelligenz (KI) in der Finanzbuchhaltung
Eingangsrechnungsverarbeitung mit menschlicher Intelligenz
KI-ERP-Transformation Grundlagen und KI-Governance
KI für SAP Business One nimmt den User ins Zentrum
Logistik auf dem Weg in die Digitalisierung
