Standard-Software ist immer noch Trend. Das zeigt die Trovarit-Studie ERP in der Praxis. Als oberflächliche Gründe hierfür werden meistens das geringe Projekt-Risiko und die kleineren Kosten. Allerdings ist dies nicht immer automatisch gewährleistet. Aber wann geht’s denn richtig schief mit den Standard-Systemen? Dr. Karsten Sontow, Vorstand der Trovarit AG, glaubt, dass der größte Fehler schon bei der Auswahl des Systems eintritt: „Die Leistungsspezifikation muss sehr konkret erfolgen (…) Was der Anbieter zusagt, muss schwarz-auf-weiß festgehalten werden“.
Eigenentwicklungen können teuer werden
Dass die Leistungen der Software gewährleistet werden können, liegt vor allem daran, dass die Prozesse der Standard-Software häufig schon vielfach erprobt sind und dadurch auch meist optimiert wurden. Deshalb sind in vielen Fällen nur kleine Anpassungen am System selbst vonnöten. Dadurch ergibt sich der Vorteil, dass die Unternehmen kein internes Now-How in Sachen IT-Entwicklung vorweisen müssen. Hier kann sich ein Unternehmen viel Zeit und Geld sparen. Denn Eigenentwicklungen sind immer noch teuer. Und zudem noch immer häufig riskant, wie das Beispiel der Bundesagentur für Arbeit zeigt.
4,5 Milliarden Euro hat die BA jüngst für die Weiterentwicklung und den Betrieb von Software zwischen 2011 und 2016 locker gemacht – und zum Teil auch in den Sand gesetzt. 60 Millionen wurden beispielsweise in den letzten 17 Jahren in das Projekt ROBASO (Rollenbasierte Oberflächen) investiert. Anfang des Jahres wurde das Projekt aber eingestellt. Begründung: Software zu unflexibel und komplex fürs Kundengeschäft. Die Defizite zu beheben, hätte sich zeitlich und wirtschaftlich nicht gelohnt.
Mehr Sicherheit durch Updatefähigkeit
Wie das passieren kann? Ein häufiges Risiko bergen Eigenentwicklungen vor allem deshalb, da sie nur einmal entwickelt werden. Das heißt: Die Entscheider in Sachen IT können aus einer einmaligen Sache nicht unbedingt etwas für das nächste Projekt mitnehmen. ERP-Software muss aber regelmäßig geupdated, überarbeitet und gegebenenfalls – so alle 15 Jahre – ausgetauscht werden. Standard-Software hat hier das deutlich größere Potenzial und bietet neben geringerem Risiko auch mehr Flexibilität. Allerdings sind sie auch nur erfolgreich, wenn der Topf den passenden Deckel findet.
„Best-of-Breed“ Ansatz
Unternehmen sollten deshalb überprüfen, ob sie sich für Standard-Software entscheiden, dass die Ansprüche im Bereich ERP wie Finanzbuchhaltung, Kundenbeziehungsmanagement oder Warenwirtschaft ausreichend abdeckt. Ist dies nicht der Fall, gibt es immer noch die Möglichkeit sich im „Best-of-Breed“ Angebot umzuschauen. „Best-of-Breed“ bezeichnet die Software-Philosophie, für jeden Anwendungsbereich von ERP die bestmögliche Lösung zu finden und zu integrieren. Dabei werden die Lösungs-Suiten verschiedener ERP-Anbieter für Teilbereiche zu einer ganzheitlichen Lösung zusammengefasst. Laut Trovarit-Studie hängt die Entscheidung hier vorwiegend von der Unternehmensgröße und der jeweiligen Branche ab.
Finanzbuchhaltung oder der Personalwirtschaft im Trend
Besonders gerne wird aber in Spezial-Systeme investiert, die sich mit dem Finanzwesen oder der Personalwirtschaft befassen. Grund sind die häufigen gesetzlichen Änderungen in diesen Bereichen. Diese machen es schwer die Aktualität zu gewährleisten, so Trovarit-Vorstand Sontow. Eine Software an dieser Stelle immer wieder anzupassen, bedeutet viel Aufwand. Deshalb nutzen Industrieunternehmen z.B. meist ein spezialisiertes System für ihre Finanzbuchhaltung. Handelsunternehmen wiederum kommen mit der Finanzbuchhaltung, die im ERP-System integriert ist gut aus. Das liegt daran, dass diese bei Handel oder auch bei Dienstleistern nah am Kerngeschäft liegt. Bei produzierenden Unternehmen liegt dieses eher in der Fertigung.